Vitorias Vermächtnis

Vitoria wurde in Sintra entsorgt, um getötet zu werden, weil sie ein Mamma-Ca hatte.
Niemand wollte für einen alten Hund noch unnötig Geld ausgeben.
Die kleine tapfere Vitoria rührte Anas Herz, somit wurde sie kastriert und operiert und eine Milchleiste komplett entfernt und Ana hat sie mit zu sich genommen ins Hundehaus.
Sie hat sich gut erholt und ich habe Ana gut verstanden, warum sie Vitoria retten musste. Sie war eine ganz besondere kleine und starke Persönlichkeit.
Als man sich anschickte ihre zweite Milchleiste zu operieren, habe ich Ana gesagt, dass ich sie mit nach Deutschland in eine Pflegestelle mitnehmen wolle und wir erst mal abwarten wollten.
Ich habe einfach niemals gute Erfahrungen gemacht mit diesen Operationen, spätestens mit der zweiten Operation starben kurz nach der Operation die meisten Hunde durch Metastasen, die sich explosionsartig vermehrten. Sie sollte doch noch eine schöne Zeit haben, in der sie geliebt und umsorgt wurde, wie lange diese denn nun auch dauern würde.
So zog Vitoria also zu Martina und ihrer Familie und lebte auch tatsächlich noch mal richtig auf. Sie fühlte sich sehr wohl zwischen den anderen beiden Hunden Clay und Finca und war Martinas Schatten und genoss dort viele Privilegien. Somit war es auch nicht schlimm, dass sich nie einer wirklich für Vitoria beworben hat. Und wenn, hatte es einfach nie gepasst.
Alles war gut, bis Januar, als dann die Tumore zu wachsen begannen. Eigentlich war klar, wir lassen sie solange es geht und werden sie kein zweites Mal operieren. Aber Martina war in großer Sorge und so ließen wir sie dann doch Mitte April operieren, nachdem die Lunge vollkommen frei war.
Wieder erholte sich unsere tapfere Vitoria sehr schnell und alles schien aufwärts zu gehen, bis sie plötzlich von heute auf morgen das Fressen einstellte und sich auch durch keine Leckerbissen der Welt dazu überreden ließ. Trotzdem fuhr man noch ein paar Tage mit ihr in Urlaub, immer noch in der Hoffnung, es handle sich um einen einfachen Magendarminfekt. Aber nein, Vitorias Zustand verschlechterte sich nun täglich.
Und eigentlich war sowohl mir als auch Martina klar, was passiert ist und ich sagte ihr, dass sie nun eine sterbende Vitoria hätte.
Wieder zu Hause verschlechterte sich ihr Zustand zusehends und zum Schluss fand sie auch keine Ruhe mehr und konnte auch nicht liegen und ruhen.
Martina war nun völlig verzweifelt und auch verständlicherweise mit dieser neuen Situation völlig überfordert, da auch noch zusätzliche private Verpflichtungen zu erledigen waren.
Somit haben wir entschieden, dass Vitoria zu mir kommen kann und wir schauen werden, was wir machen können. Erleichtert und mit großer Hoffnung, dass ich "ihre" Vitoria wieder gesund machen könne, brachte Martina mir nun Vitoria.
Das Eingliedern in meine Hundegruppe gestaltete sich, trotz dem weit fortgeschrittenen Sterbeprozess, problemlos und wieder mal zusammen mit der klassischen Homöopathin Helga Weyand (liebe Helga, auch hier nochmals vielen lieben Dank, dass wir immer auf Dich zählen können, wenn unsere Hunde Dich brauchen) habe ich Vitoria soweit stabilisieren können, sodass sie wieder liegen und ruhen konnte. Auch schlafen war wieder möglich, auch noch am nächsten Tag.

Sie fand selbstverständlich die Wasserschüssel, stiefelte selbstverständlich raus in den Regen, um ihr kleines Geschäft zu machen, obwohl sie Regen hasste, und wollte nachts so gerne in meinem Arm kuscheln und konnte es nicht, weil sie Atemnot bekam. Das sollte der nächste Schritt sein, ihr das wenigstens wieder zur ermöglichen.
Aufgrund der Tatsache, dass ich Vitoria nicht wirklich gut kannte und wegen der minimalen Hoffnung, dass es vielleicht doch "nur" ein Lungenödem war, entschloss ich mich doch in die Tierklinik zu gehen, zu dem TA der, sie auch operiert hatte.
Auch hier lag sie entspannt neben mir auf dem Beifahrersitz und döste vor sich hin, nun deutlich ruhiger atmend.
Ich ließ sie im Auto, um ihr den Stress zu ersparen, bis wir dran waren. Als ich sie holte, lag sie entspannt auf der Seite und schlief tief und fest - ich hätte meiner ersten Eingebung folgen und mit ihr heimfahren sollen.
So taten wir dann das, was man dann eben so macht - Branüle legen, Röntgenbild (da wäre sie fast kollabiert und ich konnte sie mit Rescue-Tropfen wieder stabilisieren) und das Röntgenbild gab nicht ganz klar Aufschluss. Die Lunge war komplett dicht. Lungenemphysem und Metastasen oder doch nur Lungenödem? Die Histologie des Tumors war genauso grausam wie das Röntgenbild.
5 Wochen nach OP war die Lunge dicht, genau wie vermutet.
Der Arzt machte mir Hoffnung, ja, er wolle alles tun, um sie noch mal zu stabilisieren, wenigstens ein wenig Zeit und ja, das habe schon ein paar Mal geklappt. Ich dachte an Vitoria, ich dachte an Martina und ich ließ sie für weitere Behandlungen alleine für ein paar Stunden in der Klinik zurück.
Nie werde ich den Blick vergessen, mit dem sie mir nachsah, nachdem die letzte Person, der sie vertraute, nun auch noch ging.
Zuhause zählte ich die Stunden und machte mich pünktlich auf den Weg, sie nach Hause zu holen - bestimmt war alles deutlich besser. Tatsächlich, ich habe es mir eingeredet und ihr versprochen, ich werde sie noch adoptieren, wenn sie noch ein wenig durchhalten mag und sie sollte in Ruhe und Frieden sterben können und mit einem festen Zuhause.
Die Wirklichkeit holte mich schnell aus meinen Träumen zurück. Routine, Alltag, keine wirklichen Verbesserungen. Auch Cortison brachte keine Besserung, Sauerstoffzelt ging nicht, da bekam sie Panik (oh Gott, was habe ich getan). Dann sollten wir sie jetzt erlösen, sie wird sonst grausam ersticken, so der TA. Möchten Sie dabei sein oder möchten Sie gehen?
Wie viele Menschen rufen da wohl nur an und lassen das dann den Arzt alleine entscheiden und natürlich auch alleine durchführen? Erschreckend!
Natürlich ging ich mit - sie lag allein in einer kleinen Box und wartete. Sie freute sich, mich zu sehen und machte einen Schritt auf mich zu und in der Sekunde hat der TA sie mit der Spritze und seinem Barbiturat abgeschossen. Peng. Und das war’s. Vitorias Kopf knallte voller Wucht an die Metallwand. Es war Montag der 27.05.2013 um 17.45 Uhr.
Er hat nichts mehr gespürt – machen Sie sich keine Sorgen, hieß es.
(Öhm, sterben sollte schon ein bewusster Prozess sein und das würde ich schon gerne mitbekommen wollen, dass ich gestorben bin bzw. nun sterbe.)
Ich: Das war eine Sie. Der TA: Nein, ich meine der Hund…

War die Lebenskraft dann wohl wirklich erschöpft – naja, bei der Menge Barbiturat direkt in die Vene… Danke, dass Sie mir meine letzte Hoffnung nehmen, dass da noch irgendwas Selbstbestimmtes dabei war.
Das kann ja jeder machen, wie wer das möchte und wie er auch damit umgehen kann. Ich kann damit nicht umgehen. Das ist nicht mein Weg, nicht mein Denken, nicht meine Philosophie.
Kein Thema, man ging bemüht routiniert und freundlich vor - meine Tränen haben zwar ein wenig die Routine gestoppt, aber es blieb sehr sachlich.
Verständlich, man könnte in einer Tierklinik nicht arbeiten mit Gefühlen wie ich sie habe. Also bitte nicht falsch verstehen, man hat dort einen guten schulmedizinischen Job gemacht und sich sicherlich sehr bemüht, trotzdem komme ich genau damit gar nicht klar.
Ich empfinde es respektlos, dem Leben allgemein gegenüber und Vitorias Leben im Speziellen und mir fehlt bei so einem Ablauf vollkommen die Wertschätzung. Sterben ist kein Routineablauf. Sterben ist ein Prozess.
Und auch den Menschen, die mich trösten wollten, dass ich sie doch nur erlöst hätte, musste ich sagen – nein, das habe ich nicht. Ich habe sie umbringen lassen und das Ganze war ein äußerst brutaler Vorgang, zumindest für mein Empfinden. Auch wenn es für sie so schnell ging, dass sie es gar nicht mitbekommen hat. Ich denke, und das ist auch meine Erfahrung bei Menschen wie bei Tieren, sterben ist ein Prozess und der findet in Phasen statt und sollte zum Schluss ruhig und friedlich verlaufen.
Und sie hat die letzten Stunden einsam und alleine in einer Metallbox, in einer Tierklinik verbringen müssen, ohne Liebe und ohne Fürsorge. Und ohne dass sich dieser arme und extrem saubere Hund hat wenigstens mal lösen können nach all den entlastenden Medis, die sie bekommen hat. Woher ich das weiß?
Sie lief komplett aus, sofort nach ihrem Tod und ich hatte nicht Trockenes mehr an.
Nein, das war ein großer Fehler und ich würde gerne die Uhr zurückstellen wollen.
Vitoria, es tut mir unendlich leid, dass ich Dich alleine in der Klinik gelassen habe und das ich mich dafür entschieden habe, Dich euthanasieren zu lassen.
Und trotzdem, auf irgendeiner Ebene wird es richtig gewesen sein, sonst wäre es nun nicht so gewesen, aber ich möchte es so nie wieder erleben und auch dieses Wissen, dass es so ist, tröstet mich nicht.
Ich denke, dieser Schock hat mich vollends wach gemacht dafür, dass ich in der Zukunft ein kleines Tierhospiz haben möchte und gerne Menschen darin schulen und begleiten möchte, wie man mit sterbenden Tieren auch ganz anders umgehen kann.
Leb wohl, Vitoria, und auch wenn Du am Ende alleine recht anonym hast gehen müssen, es gab doch inzwischen einige Menschen, die Dich liebten und um Dich geweint haben. Und Dein Zuhause war bei Martina, die, wie ich, sehr daran zu knabbern hat, wie das nun alles gelaufen ist.

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