Für Sissi
…. Zum Blauhimmel hin, wo ein Wölkchen zieht
Wie ein Wollgrasflöckchen so leicht,
Und mein Herz, es singt sein leises Lied,
Das auf zum Himmel steigt.
Ein leises Lied, ein stilles Lied
Ein Lied, so fein und lind,
Wie ein Wölkchen, das über die Bläue zieht,
Wie ein Wollgrasflöckchen im Wind.
Hermann Löns
Eigentlich war der Plan, den Tierärzten unseres Vertrauens einen Gefallen zu tun und Vermittlungshilfe zu leisten für zwei ältere Yorkis - „Sissi & Franzl“.
Eigentlich. Uneigentlich hätte ich wissen müssen, dass bei uns nie was nur "eigentlich" geht. Und so begann ich dann mal, an die Infos zu kommen, die wir dringend brauchten, um zu sehen, was wir tun müssen.
Katzenklo, fast nur im Haus, mit Zugang oder Hof, künstliches Besamen von Sissi durch Franzl vor einigen Jahren, Trennung, viel Stress, alleine gelassen über längeren Zeitraum mit großem Hund und Futter auf Vorrat hingestellt, was natürlich der große Hund gefressen hat. Diabetes bei Sissi diagnostiziert. Insulin unregelmäßig gegeben. Danke, reicht. Mehr muss hier keiner wissen, dass das Notfallhunde sind und sie dringend unsere Hilfe brauchen. :-(
Nach dieser Recherche war auch klar, wir suchen keine Endstelle sondern wir brauchen eine PS aus dem kleinen internen Kreis, Liebe, Geduld und viel fachliche Kompetenz. Also unser Notfallteam. Danke an dieser Stelle nochmal herzlich an alle, die dieses Mal da waren und mit geholfen haben. <3
Es folgte eine intensive Woche mit Diagnostik und Maßnahmen, da es Sissi von jetzt auf gleich schlechter ging. Erbrechen und Durchfall, teilweise blutig. Sie wurden diese Woche noch von jemand aus der Familie betreut, die ähnlich erschüttert waren wie wir, aber auch völlig überfordert mit der Pflege und Betreuung dieser beiden Pflegefälle. Es blieb leider unklar, ob nun eine Pankreatitis, eine heftige Magenschleimhautentzündung oder doch ein Tumor diese Verschlechterung bei Sissi ausgelöst hat. Trotz Sonographie, Röntgen und mehreren Blutabnahmen konnte nicht klar die Ursache benannt werden. Diabetes konnte aber ziemlich sicher ausgeschlossen werden, aufgrund der Langzeitzuckerwerte. Auch Stress als Ursache aufgrund der letzten Wochen und Monate war leider nicht ausgeschlossen.
Mit diesem Wissen holte ich nun die beiden kleinen Hunde am 13.08. ab und war sehr gerührt von den beiden Zwergen. 2x2 Kilo Hund schienen meine Ankunft bereits zu erwarten und gingen vertrauensvoll und voller Zuversicht mit mir mit.
Ab jetzt sollte endlich alles gut werden für die beiden Mäuse und wir freuten uns so sehr darauf, Ihnen endlich zeigen zu können, wie schön das Leben sein kann und wie toll es ist, einfach nur Hund sein zu dürfen.
Sissi, die eben noch völlig teilnahmslos auf der Couch lag und auf ihre Abholung wartete, lief nun fröhlich durch den Garten bei der Pflegemama. Saß lange einfach da und genoss die Abendsonne und zeigte sich den anderen Hunden wie Menschen gegenüber aufgeschlossen und unkompliziert. So selbstverständlich als wäre sie nur mal eben kurz weg gewesen. Sie hat verstanden, dass sie nun ab sofort frei entscheiden durfte. Ihre Zeit, ihr Tempo und vor allem ihr Weg. Wir waren bereit, jeden ihrer Wege mitzugehen, egal für welchen sie sich entscheiden würde.
Was für eine präsente Persönlichkeit, 2 Kilo Hund und der Raum war gefüllt mit Sissi-Energie. Und ja, auch wenn wir Hoffnung hatten, weil sie so wach und fröhlich schien und sofort selbstständig rein- und rausging und auch das angebotene Büffet mit vielen Leckereien wohlwollend zur Kenntnis nahm, intensiv an allem schnupperte und auch den einen oder anderen Happen gefressen hat, sie wirkte trotzdem schwach und erschöpft. Auch das entging uns natürlich nicht.
Liebe Sissi, es war als wenn Du einfach noch mal alle Kräfte mobilisiert hast in Dir, um Dich auf Deine letzte große Reise vorzubereiten. Irgendwie ahnten wir es wohl alle, aber keiner wollte der sein, der es aussprach. Wir haben doch hier einen Grundsatz - es wird nicht gestorben, bevor man nicht auch gelebt hat. Sissi, also haben wir ja nun noch ein wenig Zeit oder nicht?
Du warst einfach dankbar und zufrieden für diesen sicheren und sehr behüteten Rahmen. Für die liebevolle intensive Betreuung und einfach für das Sein und den Raum halten. Du hattest Nähe, wenn Du sie brauchtest, Du durftest natürlich auch für Dich sein, wenn du es brauchtest. Dinge, die selbstverständlich sein sollten und es leider nie waren.
Bereits am zweiten Tag hast Du komplett das Fressen eingestellt und immer wieder erbrochen. Teilweise auch blutig und auch diese riesige wohlgeformte Kackwurst verschaffte Dir unendliche Erleichterung, als sie endlich draußen war. Wie lange hattest Du denn eingehalten, um ja nicht aufs Katzenklo gehen zu müssen?
Trinken war kein Problem, sofern wir nicht versuchten, Dir da was mit reinzumischen. Ok, wir haben es nur 1x versucht, hätte ja sein können, dass…
Es schien als ob Dein Körper sich befreien wollte von all dem schweren Ballast, der da noch in dir war, denn mit jedem Tag wurdest Du nun ruhiger und entspannter.
Dein Blutzucker schwankte von hoch bis niedrig und auch hier schienst Du uns immer wieder sagen zu wollen „Ach, lasst doch, alles ist gut wie es ist und ich habe meine Entscheidung längst getroffen". Ja, eigentlich hast Du uns gecoacht und uns täglich wissen lassen, was Du möchtest und was nicht.
Das Erbrechen, was Dich immer furchtbar anstrengte, ließ nach und so konntest Du es noch ein wenig genießen, dass Dich Dein menschliches Taxi mehrfach am Tag in den Garten brachte, wenn Dir selbst die Kraft dazu fehlte. Und Du konntest auch wieder Nähe zulassen, nachdem Du Dich vergewissert hast, dass Du wählen darfst. Bis auf wenige Ausnahmen war das immer in Gesellschaft und es war eine wundervoll friedliche Stimmung, die Dir sehr gut tat und Dir einen zusätzlichen schützenden Rahmen gab.
Als Du am Freitag dann auch konsequent das Trinken verweigert hast und kaum noch die Kraft hattest, auf Deinen eigenen Beinen in den Garten zu gehen, wussten wir Bescheid, wohin Deine Reise geht.
Wir haben verstanden, Du hast Deine Entscheidung längst getroffen und suchtest einfach einen ruhigen Ort, um in Frieden gehen zu können. Und auch wenn wir traurig waren, wir akzeptieren Deine Entscheidung. Die Tierärztin bot an, Dich zu unterstützen, aber wir wussten, dass Du das nicht willst und brauchst und selbstbestimmt gehen möchtest.
So verbrachten wir mit Dir eine letzte gemeinsame Nacht, genossen ein letztes Mal mit Dir zusammen den Sonnenaufgang im noch kühlen Garten. Natürlich gut eingepackt, bis es Dir auch damit zu kalt war und dann nach einem tiefen und ruhigen Schlaf, teilte uns Franzl durch sein aufgeregtes Verhalten mit, dass es nun bald soweit sei. Mit menschlicher Unterstützung konnte er dann die Sterbebegleitung übernehmen und ruhig bei Dir liegen, bis am 19.08. um 16:10 Uhr Dein Herz aufgehört hat zu schlagen und Du mit einem tiefen letzten Atemzug diese Welt verlassen hast. Du schienst so unglaublich erleichtert zu sein, nun für immer frei zu sein. Ein unglaublich sanfter, friedlicher Abschied mit so viel Würde und Selbstverständnis. Und bis zum letzten Atemzug warst Du absolut klar und präsent.
Ja, Sissi, wir hätten dir gerne die Welt zu Füßen gelegt, wir alle zusammen und Du weißt, wir waren ein verdammt gutes Team, aber am Ende hast Du uns Deine Seele zu Füßen gelegt mit der Bitte um eine sanfte Freigabe.
So traurig wir auch alle waren, so berührt waren wie auch von deiner Selbstverständlichkeit, mit der Du freundlich entschlossen Deine Köfferchen gepackt hast und uns ein fröhliches „Dankeschön und macht's gut und passt mir auf meinen Franzl auf" entgegen riefst und - zack - auch schon weg warst.
Eben wie ein Wollgraswölkchen im Wind…
Wie sagte einmal eine gute Seele zu mir, die darauf bestand, den alten Hund zu bezahlen, den sie von uns adoptiert hatte – ob einen Tag, einen Monat, ein Jahr, was spielt es für eine Rolle?
Zeit ist so relativ, aber die Begegnung mit Dir so selbstverständlich und besonders und hat bleibenden Eindruck hinterlassen bei all denen, mit denen Du nun zu tun hattest. Und am Ende konntest Du in Frieden los lassen.
Manchmal ist tatsächlich nicht mehr zu tun und man muss loslassen, damit Heilung auf einer anderen Ebene passieren kann.
Danke, Sissi, für diese wichtige Lektion und dafür, dass Du uns Dein Vertrauen, trotz all Deiner traurigen Jahre, geschenkt hast. Wir werden Dich nicht vergessen und wünschen Dir nun eine Zeit der Fülle und unendlich viel Liebe und Wertschätzung, Du wunderbare kleine Hundeseele. <3