Ruth

  • 25 .Feb .2017
Es gibt sie, diese Tage, wo man einfach nur noch aussteigen möchte. Wo man sich fragt wofür das alles und wozu das alles.
Heute ist so ein Tag. :-(
 
Ruth ist heute Nacht gestorben, lag einfach still bei Olinda im Bett und ist gestorben, wie sie gelebt hat, ruhig und unauffällig.
 
Vor zwei Wochen kannte sie keiner und von ihrer Existenz wusste auch keiner. Kennengelernt haben Pia und ich sie erst letzten Donnerstag. Sie stand angeleint im Tierheim zwischen Katzenhaus und Hundeausläufen und stand einfach nur da. Still und unauffällig. 
Sie berührte uns sofort und sofort war klar, sie muss hier weg. 
Wir hatten sogar kurz überlegt, sie mit ins Hotel zu schmuggeln.
Sie berührte uns beide ganz tief und über die ganzen vier Tage trafen wir sie ja auch ständig, denn da sie nicht alleine bleiben konnte, war sie ja auch immer mit. 
Im Auto mit vielen Hunden eingesperrt in einer Hundebox - Normalzustand. 
In der Klinik angeleint, neben Bob Dylan, der da lag mit 5 gebrochenen Rippen neben ihr. Auch er sollte am Mittwoch ausreisen, auch auf ihn warten seine Menschen sehnsüchtig. 
Wie das passiert ist? Keiner weiß es und er musste warten, bis irgendeiner Zeit hatte, ihm eine Schmerzspritze zu geben, mit ihm in die Klinik zum Röntgen zu fahren. 
Warten, verwahrt werden, auf engstem Raum mit vielen anderen, sie halten es aus. Es waren viele, die schon aufgegeben haben, die einfach da rumliefen und wo man den Eindruck hat, sie haben schon abgeschlossen, keine Hoffnung mehr, dass sich je noch was ändert. 
Die, die nicht aufgegeben haben, versuchen verzweifelt, auf sich aufmerksam zu machen. 
Streicheln und Zuwendung ist wichtiger als Essen und immer hat man einen Hund an sich dran, der Schutz und Nähe sucht. 
Es sind zu viele, es ist so unendlich viel zu tun.
 
Auch Ruth war so ein Hund, sie stand fast unsichtbar da, hat sich nie beschwert, nie habe ich einen Laut gehört von ihr. 
Olinda hat erzählt, sie würde aus dem Fenster springen, wenn sie sie nicht mitnehmen würde, um hinter ihr herzukommen. 
Still und leise, aber von einer unglaublichen Präsenz. 
 
Ich arbeite von früh bis spät in den Abend, um möglichst viel zu erreichen, es reicht nicht. 
Ich gebe all mein Geld, was übrig ist noch privat in den Tierschutz, es reicht nicht. 
Ich habe die hier, die keiner will und tue auch da, was ich kann, es reicht nicht. 
Ich könnte endlos weitere Hunde aufnehmen, die es genauso nötig hätten. 
Glaubt mir, ich tue, was ich kann und es wird niemals reichen, um zu verhindern, was heute Nacht wieder einmal passiert ist.
Ich habe viele tolle Menschen gefunden, die unseren Hunden ein liebevolles Zuhause geben und auch viele tolle Pflegestellen, die unseren Hunden wieder Mut und Zuversicht geben und dafür sorgen, dass sie ein glückliches Leben führen können, auch wenn es manchmal nur kurz ist. 
Es reicht nicht, es wird nie reichen. 
 
Mein Verstand weiß das, aber mein Herz weint und versucht, zu verarbeiten und zu verstehen, was aktuell geschehen ist.
 
Wir haben verstanden, dass Ruth da weg muss und ein ganz dringender Notfall ist. Wir konnten sie nicht mitnehmen, wir waren voll und sie nicht angemeldet. 
Wir haben sie direkt eingebucht beim nächsten Flug, der wäre jetzt am Mittwoch gewesen. Sie hatte eine Pflegestelle sicher und eine tolle Endstelle wo man sich schon riesig auf sie gefreut hätte. Es sollte nicht sein. 
Sie wurde am Montag gleich noch kastriert, das war vermutlich zuviel für das kleine zarte Hündchen. Das dachte ich mir schon fast, doch was sollte ich machen? 
Es ist natürlich viel besser, die Hunde in Ruhe ankommen zu lassen und sie sorgfältig nach unserem Standard kastrieren zu lassen. Leider wollen die meisten Menschen einen kastrierten Hund und einen möglichst günstigen Hund. 
Ist leider so. 
 
Ich weiß nicht, ob ich einen Hund wie Ruth überhaupt kastriert hätte und wenn, dann hier in einer Tierklinik, mit Monitoring und mit entsprechenden Voruntersuchungen. 
Ihr wundert Euch, warum Hunde sterben nach Operationen? 
Naja, da macht niemand Voruntersuchungen - abhören fertig. 
Wenn denn dann ein Hund irgendwas hatte, Pech gehabt. 
Nur die Harten kommen in den Garten...wie soll es denn bei den Massen an Hunden in Not auch sonst gehen?
 
Vielleicht war es gar nicht die Kastration, vielleicht war es einfach die Kälte, unter der sie erfror. Vielleicht war es die neuerliche Enttäuschung, ein wenig Liebe, ein wenig Freiheit, ein wenig Zuwendung zu bekommen und dann doch wieder alleine in Angst und nun noch mit Schmerzen zurück gelassen zu werden? 
Vielleicht hatte sie auch nur eine Botschaft für uns und es hat ihr gereicht, dass sie ein Zuhause gehabt hätte, um weiterziehen zu können. 
Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass sie nun das beste Zuhause von allen hat und nun endlich all die Liebe bekommt, die sie verdient hat. Ich weiß, dass sie symbolisch steht für all die Hunde und Katzen, die noch so verzweifelt suchen und wo wir zu spät sein werden, weil sie keiner rechtzeitig findet oder auf sie aufmerksam macht. Ich weiß, dass ich nicht aufgeben darf, weiterhin auf all die Tiere im Schatten aufmerksam zu machen, damit sie gesehen werden können und auch endlich ins Licht dürfen.
 
Ruth, ich war unglaublich berührt von Dir, von der ersten Minute an und wollte Dich einfach nur noch schützen vor allem. 
Ich hatte keine Ahnung, dass ich es mit einem kleinen Hundeengel zu tun hatte und verneige mich in tiefer Demut vor Dir. 
Weißt Du, im Grunde weiß ich das längst, dass man nie alle retten kann und auch nicht für alle die Erlaubnis bekommt, sie retten zu dürfen, aber ich bin trotzdem unfassbar traurig. 
Ich hätte Dich gerne altersentsprechend glücklich auf Wiesen buddeln gesehen, mit eigenen selbstgefundenen Knochen und glücklich bei Deiner neuen Mama auf dem Schoß liegend. 
 
Und ja, ich denke ich habe die Lektion verstanden, die wichtigsten Erkenntnisse warten in der Stille auf uns und ja, ich weiß, Du wirst uns mit vielen anderen aus dem Engelreich weiterhin coachen. <3
 
Danke, für Deine zarte und intensive Berührung.  <3 und ich verspreche Dir, wir machen weiter, Euch Seelchen ins Licht zu holen, bevor es zu spät ist.

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